Streitpunkt Ferkelkastration vor Abstimmung im Bundesrat

In der Auseinandersetzung um die betäubungslose Ferkelkastration hat der agrarpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich Ostendorff, den Handel zu einem deutlichen Signal aufgefordert. „Signalisieren Sie Akzeptanz gegenüber den bestehenden Alternativmethoden und unterstützen Sie die Bäuerinnen und Bauern in der Umstellung auf Inhalationsbetäubung, Immunokastration oder Ebermast“, fordert Ostendorff in einem Schreiben an die Spitzen von Rewe, Aldi Nord und Süd, Edeka, und der Schwarz-Gruppe (Kaufland, Lidl). „Alle Beteiligten, inclusive der Akteure des Lebensmitteleinzelhandels, müssen nun an einem Strang ziehen. „Die Ablehnung einzelner schon jetzt gesetzlich möglicher Verfahren ist aus Sicht des Tierschutzes nicht akzeptabel und gefährdet die Weiterentwicklung der Landwirtschaft“, so der Abgeordnete. Nicht nachvollziehbar ist für ihn, dass von Seiten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft keine positiven und richtungsweisenden Signale zur Anwendung der Alternativmethoden zu vernehmen seien. „Deshalb ist die Situation angespannt, die Bäuerinnen und Bauern sind ratlos – ein politisches Versagen dramatischen Ausmaßes“, so Ostendorff. Die Zustimmung zu einem klaren Ende der betäubungslosen Kastration ab dem 1.1.2019 fordert der Deutsche Tierschutzbund vom Bundesrat auf seiner Sitzung am 21. September. Anträge, die ein Hinauszögern des Verbots vorsehen, dürfen aus Sicht der Tierschützer keine Option sein. Der Verband hat sich daher mit einem Schreiben an die Regierungschefs der Länder gewandt. „Das vor fünf Jahren beschlossene Verbot dieser äußerst schmerzhaften und anachronistischen Prozedur war ein Meilenstein für den Tierschutz. Umso verwerflicher ist der Versuch einzelner Landesregierungen, den Ausstiegstermin ab 1.1.2019 zu verschieben und die Lage für die Ferkel zu verschlechtern“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Jeder, der dies versucht, verstößt auch gegen das Staatsziel Tierschutz. Das ist Verfassungsbruch, den wir den Ministern und Ministerpräsidenten dann vorwerfen. Wir appellieren daher dringend an die Bundesratsmitglieder, die Novellierung des Tierschutzgesetzes zu verhindern und dem Votum des Agrarausschusses zu folgen.“ Dieser hatte am 3. September alle vorliegenden Anträge auf Fristverlängerung abgelehnt. Die tierschutzwidrige Praxis der betäubungslosen Kastration von männlichen Ferkeln wird von den Tierschützern seit vielen Jahren angeprangert. Bereits 2008 habe auch die Branche die Grausamkeit der Prozedur öffentlich anerkannt: Der Deutsche Bauernverband, der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels und der Verband der Fleischwirtschaft haben sich in der „Düsseldorfer Erklärung“ dafür ausgesprochen, schnellstmöglich auf die Kastration zu verzichten. Fünf Jahre später zog der Gesetzgeber nach und beschloss das Verbot ab 2019. „Mit großem Entsetzen beobachten wir nun, dass ein im langjährigen Diskurs erreichter Konsens, der in einem demokratischen parlamentarischen Verfahren vom Deutschen Bundestag in Form eines Bundesgesetzes beschlossen wurde, kurz vor dem Inkrafttreten zugunsten wirtschaftlicher Interessen für ungültig erklärt und zurückgenommen werden soll“, so Schröder. „Wer sich an einem solchen Vorgehen beteiligt, untergräbt das Vertrauen der Menschen in die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen sowie der politischen Institutionen insgesamt.“ Eine Rücknahme des Verbotes der betäubungslosen Ferkelkastration wäre zudem mit dem im Grundgesetz verankerten Staatsziel Tierschutz nicht vereinbar. Aus Sicht der Tierschützer spielt die Branche auf Zeit, um den „vierten Weg“, die Lokalanästhesie, als Alternativmethode zur betäubungslosen Ferkelkastration zu etablieren. „Die Methode ist jedoch mit erheblichem Schmerz verbunden - und das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern“, betont Schröder. Mit der Ebermast, der Impfung gegen Ebergeruch und der Kastration unter Vollnarkose gebe es dagegen schon drei praxistaugliche und tierschutzgerechte Alternativen.
20.09.2018
Von: FebL/PM

Friedrich Ostendorff fordert ein Signal vom Lebensmitteleinzelhandel. Foto: Ostendorff