Gift-Paket überschattet EU-Mercosur-Handelsabkommen

Am 9. Juli hat die 34. Verhandlungsrunde zwischen der EU und den MERCOSUR-Staaten begonnen. Es wird angestrebt, das Abkommen bereits am 18. Juli beim Ministertreffen zu beschließen. "Aktuell werden die Verhandlungen aber durch die Gesetzesinitiative für ein neues Pestizid-Gesetz in Brasilien überschattet", das erklärt die Österreichische Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung ÖBV-Via Campesina Austria. Treibende Kraft der Gesetzesinitiative ist laut ÖBV der brasilianische Landwirtschaftsminister, Blairo Maggi, der zugleich der größte Sojaproduzent weltweit ist. Das neue Gesetz werde die Zulassung von Pestiziden und die umwelt-, gesundheits- und arbeitsrechtlichen Standards für Pestizide verwässern. „Was die Agrarindustrie als Entbürokratisierung und Vereinfachung bezeichnet, ist in Wirklichkeit ein Angriff auf Mensch und Umwelt. Das ist auch der Grund, warum 250.000 Menschen in Brasilien dagegen protestieren. Auch wir in Europa schließen uns diesem Protest an. Schließlich betrifft dies auch Produkte, die nach Europa exportiert und hier konsumiert werden. Und damit nicht genug: Derzeit wird über eine massive Ausweitung des Handels mit diesen Produkten verhandelt“, kritisiert Franz Rest von der ÖBV-Via Campesina Austria. Bereits jetzt sind laut ÖBV bei Orangen und Zitronen 33 von 116 zugelassenen Pestiziden in der EU verboten , bei Soja 35 von 150, bei Mais 32 von 120. Von den 121 in Brasilien im Kaffeeanbau zugelassenen Pestiziden sind 30 in der EU verboten. Das neue Gesetz würde beide Zahlen erhöhen. Das Risiko von Verunreinigungen, Rückständen und Nebenfolgen steigt. Darunter das Pestizid, dessen Giftigkeit und Schädlichkeit weltweit am besten belegt ist: Paraquat von Syngenta. Auch der Einsatz des dioxinhaltigen Herbizids 2,4 D oder von Glyphosat würde damit drastisch erhöht. „Dass dies von den VerhandlerInnen nicht thematisiert wird, ist ein Skandal und verantwortungslos gegenüber den Menschen in Brasilien und Europa. Dies zeigt einmal mehr die schweren Demokratiedefizite der aktuellen Handelspolitik auf. Wir fordern einen Stopp der Verhandlungen. Das Gift-Paket reiht sich in eine lange Liste von Problemen ein. Exportinteressen der Agrarindustrie werden über die Gesundheit gestellt, schwerwiegende Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen werden ignoriert. Im Zusammenhang mit Landkonflikten werden aktuell in Brasilien weltweit die meisten Menschen getötet. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Expansion der Agrarindustrie. Solange diese Probleme bestehen, dürfen keine Verhandlungen geführt werden“, so Franziskus Forster von der ÖBV-Via Campesina Austria weiter. Über 250.000 Menschen haben laut ÖBV in Brasilien bereits eine Petition gegen dieses Gesetz unterzeichnet, UmweltschützerInnen, bäuerliche und Landlosenorganisationen, Anwälte, Gesundheits- und KonsumentInnengruppen leisten heftigen Widerstand. Jüngst haben auch einige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte einen Brief an die brasilianische Vertretung in Genf verfasst, da durch dieses Gesetz Menschenrechtsverletzungen befürchtet werden. Das EU-Mercosur-Abkommen hätte negative Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Umwelt. Seit Jahren sind die Verhandlungen von heftiger Kritik und von regelmäßigen Skandalen begleitet: Gammelfleisch und „Sklavenarbeit in Chicken Nuggets in deutschen Supermärkten“ oder die Morde im Zusammenhang mit Landkonflikten und die illegale Abholzung von Regenwäldern nennt die ÖBV-Via Campasina Austria nur einige Beispiele. "Diese werfen ein Licht auf die Probleme, die durch die aktuelle Handelspolitik immer weiter verschärft werden", heißt es dort. Die Österreichische Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung ÖBV-Via Campesina Austria stellt sich "gegen dieses Abkommen, das die Expansion der Agrarindustrie, die Entwaldung, die Verschärfung der Klimakrise, Dumping bei Preisen und Lebensmittelstandards, die Ignoranz gegenüber schweren Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten, die Zerstörung von kleinbäuerlichen Existenzen und die Gentechnik fördert". All das werde durch dieses Abkommen zunehmen. Gemeinsam mit kleinbäuerlichen und sozialen Bewegungen aus Europa, Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay fordert die Vereinigung deshalb den Stopp der Verhandlungen. „Die Agrar-, Fleisch- und Gentechnikindustrie wird aus diesem Abkommen gestärkt hervorgehen. Die Frage ist: Wollen wir das? Ist das die Zukunft unserer Lebensmittel? Es braucht eine Abkehr von der aktuellen Handels- und Agrarpolitik, die Exporte ins Zentrum stellt und Politik für die Agrarindustrie macht. Es ist Zeit, dass auch die europäischen Bauernverbände endlich eingestehen, dass ihre jahrelange Unterstützung dieses Modells fehlgeleitet und zum Scheitern verurteilt ist“, so Anneke Engel von der ÖBV-Via Campesina Austria. „Die ÖBV-Via Campesina Austria fordert stattdessen eine demokratische Agrar- und Lebensmittelpolitik, die kleinbäuerliche Interessen ins Zentrum stellt. Nur so können Antworten auf die brennenden Fragen der Zukunft gegeben werden und zugleich gesunde, leistbare und qualitativ hochwertige Lebensmittel für alle produziert werden. Deshalb kämpfen wir für Ernährungssouveränität und bäuerliche Rechte: Es braucht eine neue Basis als Kompass für die Neuausrichtung der Landwirtschaft: Das Ziel sind gute Einkommen für Bauern und Bäuerinnen und gute Lebensmittel für alle, deren Produktion, Verteilung und Konsum nicht auf Kosten anderer geht“, so Engel abschließend.
11.07.2018
Von: FebL/ ÖBV

Mit diesem Logo fordert ÖBV-Via Campesina Austria Stopp des EU-MERCOSUR- Abkommens und eine andere Handelspolitik.