Gerechtigkeit ist Thema

Kürzung und Obergrenze bei Großbetrieben und Aufschlag auf die ersten Hektar in der Diskussion

Wie schon bei den bisherigen Reformen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) schlägt auch dieses Mal die EU-Kommission Maßnahmen vor, um auf die anhaltende Kritik an der ungerechten Verteilung der Direktzahlungen an die Bauern und Bäuerinnen einzugehen. „Die Tatsache, dass 20 Prozent der Landwirte 80 Prozent der Zahlungen erhalten, wird manchmal als ‚ungerecht‘ angeprangert“, schrieb die Kommission im November 2017 in ihre Mitteilung zur anstehenden GAP-Reform. Nun legt sie in ihrem Verordnungsentwurf vom 1. Juni nach: „Um eine fairere Verteilung der Einkommensstützung zu gewährleisten, sollten die Beträge der Direktzahlungen oberhalb einer bestimmten Obergrenze gekürzt werden“. Nicht nur eine Obergrenze, sondern auch einen Aufschlag für die ersten Hektar je Betrieb will die Kommission vom Jahr 2021 an von allen Mitgliedstaaten umgesetzt sehen. Diesen Aufschlag begründet die Kommission damit, dass „es als notwendig anerkannt ist, eine ausgewogenere Verteilung der Unterstützung zugunsten kleiner und/oder mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe in einer sichtbaren und messbaren Form zu fördern“.

Obergrenze plus Arbeitskosten

Die Obergrenze beschreibt die Kommission in ihrem Gesetzentwurf vergleichsweise detailliert. Demnach müssen die Mitgliedstaaten den Teil der Direktzahlungen, der über 60.000 Euro je Betrieb und Jahr übersteigt, gestaffelt kürzen. Die Tranche von (je nach Betrieb bis zu) 15.000 Euro, die zwischen 60.000 und 75.000 Euro liegt, ist um 25 Prozent zu kürzen (also um bis zu 3.750 Euro). Was zwischen 75.000 und 90.000 Euro liegt, muss um 50 Prozent gekürzt werden (also um bis zu 7.500 Euro), und in der Tranche zwischen 90.000 und 100.000 Euro wird der Betrag (maximal 10.000 Euro) um 75 Prozent gekürzt (also um bis 7.500 Euro). Oberhalb von 100.000 Euro Direktzahlungsanspruch wird der Teilbetrag voll einbehalten. Von den „ersten“ 100.000 Euro Zahlungen bleiben also maximal 81.250 Euro (minus 19 Prozent). Vor diesen Kürzungen müssen die Mitgliedstaaten aber für jeden betroffenen Betrieb die vollen Arbeitskosten von der Summe der einzelbetrieblichen Direktzahlungen abziehen. Widersprüchlich ist der Text der Kommission dazu, wie diese Arbeitskosten berechnet werden sollen. Zum einen sollen es „die vom Betriebsinhaber gemeldeten, mit einer landwirtschaftlichen Tätigkeit verbundenen Löhne oder Gehälter, einschließlich zugehörige Steuern und Sozialabgaben“ sein. Das wären eigentlich die tatsächlich gezahlten Arbeitskosten des Betriebes für Arbeitnehmer/innen. Aber die Kommission gibt für die Berechnung der Lohnkosten vor, dass der Mitgliedstaat „die mit einer landwirtschaftlichen Tätigkeit verbundenen durchschnittlichen Standardlöhne und -gehälter auf nationaler oder regionaler Ebene, multipliziert mit der von dem betreffenden Betriebsinhaber gemeldeten Zahl von Jahresarbeitseinheiten“ verwenden. Damit will die Kommission auch die nicht entlohnte Arbeit der Unternehmer/innen und mitarbeitenden Anteilseigner bzw. Gesellschafter erfassen und monetär bewerten und kürzungsfrei halten. Anwenden müssen die Mitgliedstaaten diese Berechnungsmethode mit Durchschnittslöhnen und Jahresarbeitseinheiten aber eben auch für die entlohnten Arbeitskräfte, so dass auch hier die tatsächlichen Lohnhöhen etc. keine Rolle spielen, sondern nur Durchschnittslöhne. Was unter „Jahresarbeitseinheiten“ zu verstehen ist und auf welcher Grundlage die Betriebe diese melden sollen, lässt die Kommission bisher offen. Die so errechneten Arbeitskosten des Betriebes muss der Mitgliedstaat vollständig von den Direktzahlungen abziehen, bevor die oben genannte Kürzungs-Staffel einsetzt. Das bedeutet, dass die betroffenen größeren Betriebe ihre vollen pauschalen Arbeitskosten plus mindestens 60.000 Euro aus Steuergeldern bezahlt bekommen. Frühere Vorschläge der AbL sahen vor, dass höchstens die Hälfte der tatsächlichen Lohnkosten von der Kürzung ausgenommen wird, damit Arbeit immer auch aus Markterlösen bezahlt wird.

Aufschlag auf erste Hektar

Nicht nur die Obergrenze, sondern auch einen Zahlungs-Aufschlag für die ersten Hektar je Betrieb will die Kommission für alle Mitgliedstaaten verpflichtend machen. Der Zahlungsaufschlag soll nun „Umverteilungseinkommensstützung“ heißen. Anders als bei der Obergrenze enthält der Vorschlag der Kommission hierzu nur wenig konkrete Vorgabe: Nicht mehr vorgegeben wird aber die maximale Hektarzahl je Betrieb, für die der Aufschlag gezahlt wird. Bisher gelten EU-weit maximal 30 Hektar, wobei die Mitgliedstaaten die Zahl erhöhen können auf ihre durchschnittliche Betriebsgröße; für Deutschland wurden 2013 46 Hektar festgelegt. Nun setzten die Mitgliedstaaten nicht nur die Höhe je Hektar oder verschiedene Beträge für verschiedene Spannen von Hektarflächen fest, sondern auch die Höchstzahl von Hektarflächen je Betrieb. Je Hektar darf der Aufschlag aber maximal so hoch sein wie der Durchschnitt aller Direktzahlungen je Hektar im Land (in Deutschland maximal ca. 270 Euro). In Deutschland beträgt der Aufschlag derzeit rund 50 Euro für die ersten 30 Hektar und 30 Euro für weitere 16 Hektar.

Klöckner gegen Obergrenze

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sieht „eine verpflichtende Kappung der Zahlungen bei 100.000 Euro nicht als geeignetes Instrument an“, wie sie in einem Brief an Bundestagsabgeordnete ausführt. „Berechnungen meines Ministeriums zeigen, dass bei Anrechnung der Lohnkosten eine Kappung in Deutschland kaum Betriebe erfassen würde – sie wäre faktisch wirkungslos, würde jedoch gewaltigen Verwaltungsaufwand hervorrufen und wäre gegenüber anderen Berufsgruppen nur schwer vermittelbar“, heißt es in dem Brief weiter. Die Berechnungen über die Anzahl betroffener Betriebe hat das Ministerium bisher nicht veröffentlicht. In Deutschland erhielten im Jahr 2016 insgesamt 3.299 Betriebe über 150.000 Euro an Direktzahlungen. Das waren zwar nur 1,0 Prozent der Betriebe, aber sie bekamen zusammen 21 Prozent aller Direktzahlungen im Land. Die AbL hat gegenüber dem Ministerium erklärt, dass die Sorge, das Instrument sei „faktisch wirkungslos“, leicht genommen werden könne, wenn nicht die ganzen, sondern nur die Hälfte der tatsächlichen Lohnkosten von der Kürzung ausgenommen werden. Der Satz, dass der Vorschlag der Kommission „gegenüber anderen Berufsgruppen nur schwer vermittelbar“ wäre, bezieht sich gerade darauf, dass der Vorschlag sichtbar macht, dass viele große Ackerbaubetriebe mehr als 100 Prozent ihrer Lohnkosten aus den pauschalen Flächenprämien bezahlen. Klöckners Satz könnte also so verstanden werden, dass sie es für besser hält, wenn das weiterhin nicht so deutlich erkennbar ist. Von dem Aufschlag auf die ersten Hektar ist in dem Brief der Ministerin keine Rede. Nur vage flackert er auf: „Ob eine Degression der Direktzahlungen ein geeignetes Mittel ist, werden wir prüfen. Denn große Unternehmen haben im Vergleich zu kleineren Unternehmen Kostenvorteile bei der Produktion.“ Ulrich Jasper
29.06.2018
Von: Ulrisch Jasper, AbL-Bundesgeschäftsführer

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