Mehr als Pflug oder Spritze

Die designierte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat da offensichtlich etwas nicht mitgekriegt. Sie leistet jedenfalls der Landwirtschaft einen Bärendienst, wenn sie – wie jüngst verkündet – dem Ökolandbau Zugang zu Pestiziden, und sei es auch nur in Ausnahmesituationen, als vermeintliche Problemlöser verschaffen will. Entsprechend sind die Reaktionen vom Bundesverband ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) oder vom grünen Agrarsprecher im Bundestag, Friedrich Ostendorff, der kommentiert: „Die konventionelle Landwirtschaft und der Ökolandbau müssen sich einander annähern, jedoch nicht durch eine „Konventionalisierung“ der Ökolandwirtschaft, sondern durch eine umweltverträglichere konventionelle Landwirtschaft.“ Warum? Nun, in Großbritannien wurde gerade eine Studie im Fachjournal Nature, Ecology & Evolution veröffentlicht, die nicht nur den Einsatz von Totalherbiziden in Frage stellt, sondern auch den von Spezialpräparaten, nicht nur in ökologischer, sondern auch in ökonomischer Hinsicht. In der zehnjährigen Untersuchung konnte sogar ein Pestizidmanagement mit selektiv wirkenden, sich in puncto Fläche, Zeitraum und Vorfrucht abwechselnden Mitteln nicht vor einer massiven Entwicklung von Resistenzen bei dem in diesem Fall untersuchten Ackerfuchsschwanz schützen. Die Autoren stellen gerade das besonders heraus, da diese Art der anspruchsvolleren ackerbaulichen Bestandsführung immer noch als gewisser Ausweg aus der mindestens jenseits des Ärmelkanals dramatischen und bei uns inzwischen auch relevanten Ackerfuchsschwanz-Problematik gilt und entsprechend von der Beratung propagiert wird. Ökonomisch kombinierten die Wissenschaftler der britischen University of Sheffield die Pestizidkosten mit den Ertragsverlusten und kamen zu der Erkenntnis, dass die negativen finanziellen Auswirkungen umso gravierender sind, je intensiver die Ackerbaubestände gefahren werden, bei gleichzeitig besonders umfänglichem Auftreten von Resistenzen beim Ackerfuchsschwanz gegenüber den vorhandenen Pestiziden. Ihre Empfehlung ist deshalb – auch unter ökonomischen Gesichtspunkten – sich nicht auf die totale Eliminierung des Ackerfuchsschwanzes zu konzentrieren, sondern auf die Verhinderung der weiteren Verbreitung seiner Pestizidresistenzen durch nachhaltigere, weniger intensive Anbausysteme. Die Forscher geben zu bedenken, dass die Resistenzen des Ackerfuchsschwanzes gegenüber verschiedenen Wirkstoffen die Abhängigkeit von Glyphosat fördern, gegenüber dem aber in verschiedenen Ländern bereits ebenfalls Resistenzen aufgetreten sind. Eine weitere Verbreitung von Resistenzen der Pflanzen gegenüber Glyphosat habe, so die Autoren, signifikante ökonomische Konsequenzen für die Lebensmittelsicherheit und die menschliche Gesundheit, welche in zukünftige Bewertungen des Wirkstoffes einfließen sollten. Nicht entweder oder „Stickstoff fördert Unkraut“, sagt Maria Finckh, an der Universität Kassel in Witzenhausen Professorin für ökologischen Pflanzenschutz. Ein zentrales Problem im Zusammenhang mit dem Einsatz von Glyphosat sei, dass das Totalherbizid den massiven Einsatz von Stickstoff ermögliche, der dann nicht nur die gewünschten Kulturpflanzen zu Höchsterträgen bringe, sondern auch das Unkraut, was wiederum mehr Herbizide erfordere – ein Teufelskreis, aber die Logik des konventionellen Ackerbaus der vergangenen Jahre. Finckh hält die in der derzeitigen Diskussion um einen Glyphosatausstieg von seinen Kritikern oft als unökologisches Ersatzszenario gemalte Rückkehr zum Pflug für einerseits vorgeschoben und andererseits für falsch. „Pflügen ist nicht die Alternative“, stellt sie klar und kritisiert, dass kaum über anderes geredet werde. Dabei gebe es sehr wohl genug Instrumente, die nicht nur Glyphosat, sondern auch den Pflug überflüssig machten: vielfältige Fruchtfolgen mit Zwischenfrüchten, flache Bodenbearbeitung – unterschneidend, nicht wendend, der richtige Saatzeitpunkt ebenso wie die richtige Sorte, eventuell in Mischkultur angebaut, und die Anwendung von Mulch, wo es passt. Vieles davon setze der Ökolandbau um und halte trotzdem auch noch zu sehr am Pflug fest, kritisiert Finckh auch da. Ein Vertreter des Industrieverbandes Agrar konstatierte sogar auf der Grünen Woche: Fruchtfolge sei entscheidender als alles andere, wenn es darum gehe, weniger Glyphosat einzusetzen. Während man trotzdem in dortigen Kreisen auf eine erneute Zulassung in fünf Jahren hofft, spricht Maria Finckh davon, dass man jetzt ein Ausstiegszenario entwickeln müsse, damit die Bauern und Bäuerinnen nicht plötzlich vor vollendete Tatsachen gesetzt würden, wenn es aufgrund neuer Bewertungen des Herbizidwirkstoffes dann doch zu einem plötzlichen Verbot kommen sollte. Finckh ist überzeugt davon, dass bestimmte negative Auswirkungen von Glyphosat bislang nicht genug in Debatte und Bewertungen einfließen. So gebe es diverse neuere wissenschaftliche Untersuchungen zu Kreuzresistenzen von Mikroorganismen, die nicht nur widerstandsfähig gegenüber Glyphosat sind, sondern auch gegenüber bestimmten Antibiotika. Das sei, so Finckh, eine Katastrophe angesichts zunehmender Funde von multiresistenten Keimen in unserer Umwelt, wie beispielsweise in fast allen jüngst untersuchten Seen und Gewässern. Solche Zusammenhänge lassen das von Glyphosatbefürwortern immer ins Feld geführte Argument des Bodenschutzes durch den Einsatz des Wirkstoffes in einem anderen Licht erscheinen. „Es ist nicht bodenschonend, wenn die ganze mikrobielle Zusammensetzung des Bodens verändert wird“, konstatiert Maria Finckh. Weniger statt mehr Am Ende ist ein System mit zu viel chemischen Werkzeugen – und mit Glyphosat als einem ganz entscheidenden – und zu wenig Vielfalt auf dem Acker am Ende. Es ist inzwischen nicht mehr nur problematisch für die Umwelt und kritisiert von der Gesellschaft, sondern ob der wachsenden Resistenzprobleme noch nicht einmal mehr wirtschaftlich (schon gar nicht, wenn man wie eine jetzt prämierte studentische Arbeit aus Augsburg auch die Folgekosten von Nährstoffüberschüssen in der Umwelt mit einberechnet.) Auf der diesjährigen Biofach äußerte der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Hermann Onko Aeikens (CDU) seine Ansicht, dass auch die konventionelle Landwirtschaft in den kommenden Jahren zu einer ökologischer orientierten Wirtschaftsweise übergehen werde. Diese Entwicklung gilt es aus bäuerlicher Sicht politisch mit zu gestalten.
09.03.2018
Von: cs

Fünfzig Hektar Zuckerrüben; Foto: Nürnberger