Antibiotika in Hähnchen

Maßnahmen noch mit angezogener Handbremse

In Talkshows, Krankenhäusern, Ställen, Wohnzimmern oder Politikerbüros: Überall wird debattiert, welche Wirkung der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung auf die menschliche Gesundheit hat und wie damit umgegangen werden soll. Einigkeit besteht zunächst einmal darin, dass der Antibiotikaeinsatz minimiert werden muss. EU-weit sterben laut EU-Kommission jährlich 25.000 Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Bakterien. Massnahmenpaket Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner kündigt seit wenigen Wochen ein Maßnahmenpaket an. Demnach soll das Arzneimittelgesetz (AMG) geändert werden. Darin sind etwa der Umgang mit Antibiotika geregelt, ob nur einzelne Tiere mit Antibiotika behandelt werden dürfen oder gleich der gesamte Tierbestand. Aber eben solche konkreten Ausführungen hat die Bundesministerin noch offen gelassen. Weiter geht es in ihrem Maßnahmenpaket darum, wie und welche Daten zum Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung ab Mitte nächsten Jahres veröffentlicht werden sollen, auch kurz DIMDI-AMV genannt: Verordnung über das datenbankgestützte Informationssystem über Arzneimittel des Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation. Seit 2010 liegt über dieses Informationssystem eine Verordnung vor. Ab Januar diesen Jahres werden deshalb Daten über den Einsatz von Tierarzneimitteln gesammelt und diese Daten sollen ab Mitte 2012 nach Postleitzahlbereichen für die Bundesländer öffentlich zugänglich gemacht werden. Das ist nicht neu. Neu ist aber Aigners jüngster Vorstoß, noch in Form von Versprechungen, auch die Daten über Geflügel-Arzneimittel künftig vollständig zur Verfügung stellen zu wollen. Die sollten, nach dem Willen der Bundesministerin, bisher unter Verschluss gehalten werden. Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, begrüßt diesen Vorstoß, fordert aber neben der Streichung von Sonderreglungen die Nennung der kompletten Adresse der verschreibenden Tierärzte. „Außerdem“, so Ostendorff weiter, „müssen die Bundesländer offensiv über möglichen Missbrauch bei der Verabreichung informiert werden, damit sie in der Lage sind, ihrem Kontrollauftrag nachkommen zu können.“ Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gert Lindemann hat in seinem Land eine Erhebung zum Arzneimitteleinsatz in der Nutztierhaltung durchführen lassen. Demzufolge sind in 82 Masthühnerbetrieben, Mastzeit um die 35 Tage, mit 482 Mastdurchgängen in 73Prozent der Durchgänge bis zu drei Wirkstoffe und in 27 Prozent der Durchgänge bis zu acht Wirkstoffe eingesetzt worden. Lindemann lässt sich in der Agra-Europe zitieren, dass er bereits ein Überwachungskonzept entwickelt habe, mit dem wirksam der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung reduziert werden solle. Er zähle dazu, die konsequente Kontrolle von Tierhalter und Tierärzten bei der Anwendung von Antibiotika. Betriebe, die überdurchschnittlich häufig diese Arzneimittel anwenden, müssen ein Minimierungskonzept der zuständigen Behörde vorlegen, die die Umsetzung des Konzeptes überwache. Fast jedes Hähnchen In Nordrhein-Westfalen wurde in einer Studie im Auftrag des Düsseldorfer Agrarressorts in der Hähnchenmast bei 83 Prozent der untersuchten Betriebe in dem Bundesland antimikrobielle Substanzen eingesetzt. Insgesamt sind 96,4 Prozent der Tiere mit Antibiotika behandelt worden. „Die Maßnahmen dürfen nicht bei einer besseren Überwachung stehen bleiben, sondern es muss auch die Haltung der Tiere überprüft werden“, kommentiert AbLer Martin Steinmann. Er ist Neuland- Schweinebauer bei Osnabrück und hält Legehennen. In Bauernkreisen werde das Thema unterschiedlich diskutiert. „Einige Fleischerzeuger fühlen sich angegriffen, andere gehen sehr selbstkritisch mit dem Thema um“, berichtet Steinmann.
01.12.2011
Von: Unabhängige Bauernstimme, Berit Thomsen