Die Vorschläge der EU-Kommission

Die wichtigsten Elemente der Gesetzesvorschläge zur Reform der EU-Agrarpolitik

Noch am Morgen des 12. Oktober wurde innerhalb der EU-Kommissionsrunde um einzelne Punkte gerungen. Es gab erheblichen Druck, insbesondere auch vom deutschen EU-Energiekommissar Günther Oettinger, die Vorschläge weiter abzuschwächen. Der „Gesandte“ der Bundesregierung soll sogar versucht haben, Energiepflanzen, also Mais für Biogasanlagen und Raps für Sprit, über bestimmte Regelungen bei den Direktzahlungen gezielt zu fördern, quasi als ökologische Maßnahme. Durchgesetzt hat er sich damit nicht. Auf den letzten Metern behielt der Agrarkommissar Dacian Ciolos die Oberhand und setzte seinerseits noch letzte Verbesserungen durch. Mittags stellte er die Gesetzesvorschläge dann mit dem Segen der gesamten Kommission im EU-Parlament vor.

Ein ganzes Paket

Bei den Vorschlägen handelt es sich um ein Bündel von insgesamt sieben Verordnungen. Die wichtigsten betreffen: - Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe (inkl. Greening, Staffelung), - gemeinsame Marktorganisation (Marktordnung), - Förderung der Ländlichen Entwicklung (2. Säule), - Finanzierung, Verwaltung und Kontrolle (inkl. Cross Compliance).

Direktzahlungen

Die größte Aufmerksamkeit in der öffentlichen Debatte sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene bekommen bisher die Änderungen bei den Direktzahlungen. Die wichtigsten Punkte sind hier: - Greening, also die Bindung der Zahlungen an ökologische Standards im Bereich Fruchtfolge, Dauergrünland-Erhalt und ökologische Vorrangflächen, - Staffelung und Obergrenze der Basisprämien mit Berücksichtigung der Arbeitskräfte. Aber bedeutsam sind ebenso: - Angleichung der Zahlungen zwischen den Mitgliedstaaten, - Übergang zu regional oder national einheitlichen Zahlungen je Hektar (in Deutschland 2013 erreicht), - Aufteilung der Direktzahlungen in Basisprämie, Zahlung für klima- und umweltschonende Bewirtschaftungsmethoden (Ökologisierungskomponente) sowie weitere Zahlungen (Kleinlandwirte, Junglandwirte, benachteiligte Regionen sowie gekoppelte Zahlungen - Zahlungen nur noch für „aktive Landwirte“.

Greening „zu dritt“

Die Kommission schlägt vor, dass 30 Prozent der gesamten Direktzahlungen eines Mitgliedstaats und der Betriebe direkt daran gebunden werden, dass die Antragsteller von Direktzahlungen drei bestimmte Landbewirtschaftungsmethoden einhalten, die dem Klima- und Umweltschutz dienen sollen:

Fruchtfolge

Betriebe mit mehr als 3 ha Ackerland (ohne: Dauergrünland, andere Graserzeugung und Brache) müssen auf der Ackerfläche mindestens 3 verschiedene Kulturen anbauen, wovon jede mindestens 5 Prozent der Ackerfläche ausmachen muss und höchstens 70 % ausmachen darf. Eine ähnliche Regelung gibt es in Deutschland schon bei den so genannten „GLÖZ“-Vorgaben: Die Betriebe müssen den Erhalt der organischen Substanz (Humus) im Boden und den Schutz der Bodenstruktur mittels Humusbilanz oder Bodenhumusuntersuchungen nachweisen, oder sie halten eine Mindestfruchtfolge ein: mindestens 3 Kulturen auf der Ackerfläche mit einem Mindestanteil von je 15 % der Ackerfläche, d.h. eine Frucht darf maximal 70 Prozent der Ackerfläche ausmachen. Laut Bundesministerium BMELV erfüllt jedoch ein Drittel der deutschen Betriebe diesen Standard nicht, sondern legt Humusbilanzen bzw. Bodenuntersuchungen vor. Die AbL kritisiert den EU-Vorschlag als zu schwach, weil ein Fruchtwechsel nur erreicht wird, wenn eine Frucht auf maximal 50 % der Ackerfläche begrenzt wird. Außerdem fordert die AbL einen Mindestanteil von Leguminosen oder Gemenge von 20 % der Ackerfläche als notwendigen Beitrag zu einer europäischen Eiweißstrategie.

Dauergrünland-Erhalt

Die zweite „Greening“-Vorgabe betrifft den Erhalt von Dauergrünland im Betrieb. Betroffen ist das Dauergrünland, das im Antrag 2014 (Referenzjahr) als Dauergrünland angemeldet wird (mindestens fünf Jahre ununterbrochen Grünland). Der Betrieb kann nach 2014 maximal 5 % davon umbrechen, „im Falle höherer Gewalt“ oder bei „außergewöhnlichen Umständen“ auch mehr, es sei denn, es bestehen auf Grundlage der heutigen EU-Rechtslage bereits Einschränkungen zum Grünlandumbruch, wie in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Dort, wo auf Grundlage der heutigen EU-Verordnung bereits die Umwandlung von Acker- und Dauergrünland vorgeschrieben wird, sind diese Flächen zum Dauergrünland 2014 hinzuzuzählen. Gleichzeitig schlägt die Kommission vor, die geltende Cross-Compliance-Vorgabe zum Dauergrünlanderhalt um zwei Jahre bis Ende 2015 zu verlängern. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten bzw. Bundesländer, in denen der Anteil des Dauergrünlands an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche gegenüber dem heutigen Referenzjahr 2003 um mehr als 10 Prozent abnimmt, Gegenmaßnahmen treffen müssen, bis hin zur Anordnung von Wiedereinsaat umgebrochenen Dauergrünlands.

7 % Vorrangfläche

Die stärkste Polemik gegen die Vorschläge setzen Bauernverband und einige Ministerien an der dritten Vorgabe an: Die Betriebe müssen mindestens 7 % ihrer beihilfefähigen Ackerfläche (genauer: Nicht-Dauergrünlandfläche) „als im Umweltinteresse genutzte Flächen ausweisen“. Als Beispiele nennt die Kommission im Text: Brachflächen, Terrassen (an Hängen), Landschaftselemente (wie Hecken), Pufferstreifen (entlang von Gewässern) sowie Aufforstungsflächen. Diese Liste ist ausdrücklich nicht abschließend formuliert, die Kommission will Näheres in einem delegierten Rechtsakt regeln. Der Bauernverband macht aus diesem Passus einen Zwang zur Stilllegung. Diese Flächen dürften nicht mehr zur Erzeugung von Lebensmitteln genutzt werden. Das ist schlicht falsch, es machte auch keinen Sinn, wie alle wissen. Der Kommissions-Text spricht ausdrücklich von „genutzten Flächen“ und „Flächennutzung für Umweltzwecke“. Die Plattform-Verbände fordern nicht umsonst: „Auf mindestens 10 % der Betriebsfläche wird die Nutzung vorrangig im Sinne der Förderung der Biodiversität ausgerichtet (ökologische Vorrangflächen). Bei hohen Schlaggrößen ab 10 ha gilt das auch als Mindestanteil pro Schlag.“ Auch hier wird also betont, dass es um Nutzung geht, nicht um Stilllegung. Aus AbL-Sicht könnten hierunter nicht nur Feldgehölze, Streuobstwiesen und Pufferstreifen mit verminderter Düngung und Pflanzenschutz zählen, sondern auch der Anbau von Kleegras oder Körnerleguminosen. Mais für Biogasanlagen, Raps oder Zuckerrüben für die Spriterzeugung zählen sicherlich nicht dazu, auch wenn der Bauernverband das hinter den Kulissen anstrebt.

Leistung der Bios reicht

„Angesichts des anerkannten Umweltnutzens der Produktionssysteme der ökologischen Landwirtschaft“ müssen Bio-Betriebe nach Vorstellung der Kommission die Einhaltung der Greening-Vorgaben nicht gesondert nachweisen. Bauernverband und Bundesregierung wollen das nutzen, um das Greening doch noch in die zweite Säule zu verlagern, nach dem Motto: Wer bei Agrarumweltmaßnahmen wie der Bioförderung aus der zweiten Säule mitmacht, soll die Greening-Vorgabe immer schon erfüllen. Die AbL kritisiert das, weil damit das Greening zur Beliebigkeit der Mitgliedstaaten verkommen und gleichzeitig die zweite Säule konzeptionell und finanziell zerstören würde.

Greening für alle

An die Einhaltung der Greening-Anforderungen sind – wie schon ausgeführt – unmittelbar 30 Prozent der Direktzahlungen gebunden. Das bedeutet aber nicht, dass Betriebe einfach auf diese 30 % verzichten und den Rest mitnehmen können, ohne die Vorgaben zu erfüllen. Die Kommission schreibt ausdrücklich, dass für alle Empfänger das Anrecht auf Direktzahlungen an die Einhaltung dieser Vorgaben gebunden ist. Die Sanktionen über den Verlust der 30 % hinaus stehen noch nicht, das wird in Durchführungsbestimmungen später festgelegt.
01.11.2011
Von: Unabhängige Bauernstimme, uj