Bäuerliche Marktmacht mal anders

Der Kattendorfer Hof ist kleinstrukturiert und und dank einer seltenen Vermarktungsstruktur konkurrenzlos

Klaus Tenthoff (49) sieht der kommenden Zeit gelassen entgegen. Auch wenn er sich sicher ist, dass die Milchquote ersatzlos auslaufen wird. Auch wenn er vermutet, dass der Milchpreis dann vielleicht mal auf sechzehn Cent pro Liter sacken könnte. Auch wenn er knapp fünfzig Kühe im Stall hat und mit spezialisierten Betrieben seines Genres nicht konkurrieren kann, zumindest was die Kostenseite angeht. Es ist ihm egal. Mit dem Konzept „Wirtschaftsgemeinschaft“ will der Kattendorfer Hof, von dem Tenthoff einer von drei Betriebsleitern ist, den Absatzmarkt optimieren. Dort sollen Kosten eingespart und die Produktionsausgaben Eins zu Eins wieder eingebracht werden. Diese Art der Vermarktung gibt es nur zweimal in Deutschland. Verbraucher als Teilhaber Der Kattendorfer Hof liegt eine knappe Autostunde von Hamburg entfernt in Schleswig-Holstein. Klaus und Annette Tenthoff (39) und Mathias von Mirbach (52) sind heute die Betriebsleiter. Im Jahr 1995 wurde der Kattendorfer Hof gepachtet und drei Jahre später als Demeter anerkannt. „Wir produzieren konkrete Nahrung nur für konkrete Menschen“, sagt Tenthoff und spricht die Wörter in gedehntem hamburgisch aus. Nicht ein Gramm Fleisch oder einen Tropfen Milch gibt er aus den Händen an irgendwelche Verarbeiter weiter. Alles wird auf dem Hof weiterverarbeitet und zum Teil über die klassischen Wege Hofladen und Wochenmarkt an die Verbraucher gebracht. Aber das ist nur als Übergang gedacht. Mit konkret meint Tenthoff noch etwas anderes: Das Konzept der Wirtschaftsgemeinschaft. Etwa die Hälfte der Hofprodukte werden bereits darüber vermarktet. Arbeit satt Zwölf Mitarbeiter beschäftigt der Kattendorfer Hof. Die Arbeitsplätze sind in der direkten Landwirtschaft, in der Käserei, der Gärtnerei und der Fleischverarbeitung verteilt. Im Hofladen, auf den Wochenmärkten und im Büro sind noch weitere Menschen beschäftigt. 150 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, die in einer fünf bzw. sieben­gliedrigen Fruchtfolge bewirtschaftet werden, plus ein paar Hektar von den typisch norddeutschen Knickflächen. Die Milchkühe liefern 250.000 Liter Milch pro Jahr. Die Mastrinder stammen aus der Nachzucht. 150 bis 170 schwäbisch-hällische Mastschweine werden jährlich geschlachtet und auch deshalb gehalten, um die Molke aus der Käserei zu verwerten. 50 verschiedene Gemüsekulturen werden auf fünf Hektar und in 1.800 Quadratmeter Folienhäuser angebaut. Die Verbraucher können in die Wirtschaftsgemeinschaft des Kattendorfer Hofes einsteigen, indem sie einen Mitgliedsbeitrag zahlen und einen festen monatlichen Warenwert. Dafür können sie über Hofabläufe mitentscheiden und werden mit Produkten vom Kattendorfer Hof versorgt. Die Verbraucher sind dann in sogenannten Food-Coop‘s organisiert. Das heißt, bestenfalls gibt es in ihrer näheren Wohnumgebung einen Lagerraum, wo einmal wöchentlich die Produkte vom Kattendorfer Hof auf Rollwagen angeliefert werden. APro angemeldetem Verbraucher gibt es dann eine festgelegt Menge an Gemüse, Milch- und Fleischprodukten. In den Food-Coop‘s nehmen sich die Verbraucher selber die Ware und nur die Menge ist fix. Zum Beispiel beim Fleisch: 700 Gramm gibt es in der Woche. Die können in Form von Schinken und Wurst, oder Schnitzel etc. von den Rollwagen entnommen werden. Das führt auch mal zu Auseinandersetzungen, aber das muss in den Food-Coop‘s selbst geregelt werden. Warenlager Wohnzimmer Tenthoff kennt die Food-Coop‘s von früher. Da wohnte er noch in Hamburg. Das war die Zeit, als die Hafenstraße noch Geschichte schrieb und der Widerstand gegen die Atomindustrie wuchs. Zu der Zeit wurden Produkte direkt vom Bauernhof in Wohnzimmer geliefert, die als Abholzentrale dienten. „Du hast dein Brot bestellt, wusstest wann es geliefert wird und hast es abgeholt“, sagt Klaus Tenthoff. Irgendwann wurden immer mehr Produkte zwischen Sofa und Schrankwand gelagert. In einem Zeitfenster von ein paar Stunden mussten die Mitglieder ihre Ware abholen. Tenthoff gründete eine eigene Food-Coop. Irgendwann reichte es ihm nicht mehr, zu verkaufen. Er wollte selber produzieren. Während diese Form der Food-Coop‘s wieder einschliefen, begann er 1989 Landwirtschaft auf einem Biolandbetrieb im Wendland zu lernen. ALDI wäre überflüssig 600 ist die Wunschzahl, wenn es nach den Akteuren des Kattendorfer Hofes ginge. 600 Mitglieder sollen mittelfristig über die Food-Coop‘s versorgt werden. Zurzeit sind es vor Ort 50 und in Hamburg 150 Mitglieder. „Das Kundenwachstum scheitert noch an fehlenden Depots in der Stadt“, sagt Tenthoff. Daran wird gearbeitet. Würde alles über die Wirtschaftsgemeinschaft vermarktet, dann könnten sich alle auf die Hofarbeiten konzentrieren. „Die Kostenstruktur ändert sich“, sagt Tenthoff. „Auf der Produktionsseite haben wir höhere Kosten, weil wir in mehreren Töpfen rühren, statt industriell zu wirtschaften. Dafür bieten wir Vielfalt und eine höhere Qualität.“ Kostensenkung findet im nachgelagerten Bereich statt. „Wir müssen nicht in Werbung, Vermarktung und Lagerung investieren“, so Tenthoff. Wenn seine Vision bis ins letzte Detail umgesetzt würde, dann könnte der Hof die ganze Gemeinde Kattendorf mit Nahrungsmitteln versorgen. Ginge seine Vision weiter, dann würden alle anderen Betriebe das in ihrer Region genau so umsetzen. Monopolistische Abnehmer, global orientierte Händler und Spekulanten könnten kaum mehr agieren. Das Problem der Marktmacht wäre gelöst. Zumindest in der Vision des Kattendorfer Hofes.
01.07.2011
Von: Unabhängige Bauernstimme, Berit Thomsen