Für umweltfreundliches Biogas in Bauernhand!

AbL Niedersachsen diskutiert über Chancen, Grenzen und Strukturen

Vor dem Hintergrund der vielen einkommensrelevanten Biogasanlagen einerseits und wachsender Kritik an diesem Boom andererseits hatte die AbL bei ihrer Frühjahrstagung in Syke das Thema Biogas – Chance oder Sackgasse für bäuerliche Landwirtschaft? für eine interessante und lebhafte Podiumsdiskussion angesetzt. Der Landesvorstand kündigte an, dass in Kürze ein Entwurf für ein Biogas-Positionspapier der AbL vorgelegt und diskutiert werden soll.


Fruchtfolgen und Umbruchverbot

Uwe Baumert als Biogas-Experte des NABU plädierte für einen Gleichklang von Ökologie und Ökonomie „mit Augenmaß“, damit beim Biogas wegen wachsender Akzeptanzprobleme nicht die Reißleine gezogen werden müsse. Er verwies auf die Flächenkonkurrenz zwischen Tank und Teller, die Pachtpreis-Explosion in manchen Regionen, die Verengung der Fruchtfolge durch „Vermaisung“, Klimaschäden durch Grünland- und Moorumbrüche und die damit einhergehende Verengung der Artenvielfalt.

In einem 10-Punkte Papier fordert der Naturschutzverband deshalb u.a. die Beschränkung des Anteils einer Fruchtart an der Anlagen-Beschickung auf 50 Prozent, eine dreigliedrige Fruchtfolge ohne Gentechnik, zehn Prozent ökologische Ausgleichsflächen, ein Umbruchverbot und Lagerkapazitäten für neun Monate. Auf Kritik stieß eine entsprechende Pilot-Vereinbarung des NABU mit dem Agrarindustriebetrieb JLW in Winsen (bei Celle), die diesem gegenüber den Bürgerprotesten eine weiße Weste verschaffe und weil der NABU – anders als der BUND – innerlandwirtschaftliche Strukturfragen ausklammere.


Mais, Rübe, GPS und Silphie

Laut Lüder Cordes (Bezirksstelle Nienburg der Landwirtschaftskammer) ist der Anstieg von Biogas-Mais verantwortlich für den steigenden Maisanteil in bestimmten Regionen. Eine Biogasanlage verwerte die Pflanzen in Gänze, die zudem länger in Gärung verweilen. Entscheidend sei der Trockenmasseertrag – der liege derzeit am höchsten bei Mais, gefolgt (auf guten oder neuen Standorten) von der Energierübe, sonst von Getreide-Ganzpflanzen-Silage (GPS), Sudangras, Hirse und Sonnenblume. Durch den Anbau von zwei Früchten nacheinander (z.B. Mais nach Grünroggen) auf guten Böden steige der Ertrag, künftig evt. auch durch neue Pflanzen wie die mehrjährige Pflanze Silphie. Dies sei besonders dann wichtig, wenn andere konkurrierende Marktfrüchte wie Getreide höhere Preise erzielten. Horst Seide vom Fachverband Biogas erinnerte an seine Zeit als AbL-Landesvorsitzender, in der im Rahmen des Staffelpreismodells generell höhere Grund-Vergütungen für kleinere bäuerliche Einheiten gefordert wurden. Bei Biogas sei dies durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) durchgesetzt worden. So habe man den „Energie-Monopolisten“ in diesem Energie-Segment 80 Prozent des Umsatzes weggenommen und in Bauernhand gebracht. Und dies, obwohl z.B. die EON vor drei Jahren erst eine Milliarde Euro in den Biogasmarkt investiert und mit 14 Prozent Kapitalrendite geworben habe.

Bauern-Privileg erhalten

Diese industriellen Biogas-Projekte seien bislang großteils gescheitert, weil die Konzerne im Gegensatz zu den örtlichen Bauern bei den Genehmigungsanträgen keinen engen Kontakt zu den örtlichen Bürgermeistern und Gemeinderäten hätten. Landwirtschaftliche Betriebe seien zudem beim Bauen im Außenbereich privilegiert, die Konzerne seien auf die Ausweisung von Sonderzonen angewiesen. In diesem Zusammenhang verwiesen Teilnehmer darauf, dass große Biogaskonzerne manche Landwirte nur als Strohmänner oder als billige Maislieferanten im Vertragsanbau nutzten. Bei solchen Verhältnissen bleibe die Wertschöpfung nicht in der Region.

Die politische Lobby von EON und Co, so Seide, arbeitet derzeit massiv daran, dass die Landesgesetze aufgeweicht würden und auch industrielle Biogasanlagen per se eine Bau-Privilegierung zugesprochen bekämen. Die FDP Niedersachsen bemäntele dies u.a. mit der „Vereinheitlichung des angeblich so komplizierten Staffelpreises“. Sie nutze dazu fälschlicherweise sogar einige Aussagen von Umweltberichten zwecks Senkung der Bonuszahlungen für Nachwachsende Rohstoffe wie Mais (Nawaro-Bonus). Auch die Pläne, wonach Häuslebauer bei der Prämierung der Energieeinsparung auch das EON-Biogas mit anrechnen könnten, nütze nur dem Konzern-Biogas, Das aber habe insgesamt eine relativ schlechte Energiebilanz, z.B. durch die langen Substrat-Transporte und die energieaufwändige Reinigung von Biogas vor der Einspeisung in die Erdgas-Netze. Horst Seide plädierte leidenschaftlich dafür, die dezentrale Biogas-Erzeugung in bäuerlicher Hand zu sichern und dazu die Staffelung zu verteidigen. Man könne sicher über Sinn, Ausgestaltung oder örtliche Lage einzelner Biogas-Anlagen oder über Raumordnungsverfahren bei zusätzlichen Biogasanlagen in bestimmten Regionen streiten. Aber durchweg sei nicht die bäuerliche Biogasanlage der Gegner des Umwelt- und Naturschutzes. Man stimme mit dessen Forderungen weitgehend überein und könne deshalb mühelos die bäuerlichen Biogasanlagen auf 10 Milliarden Euro Umsatz verdoppeln. Die ohnehin zumeist positiven Energie- bzw. Klimabilanzen ließen sich z.B. durch bessere Lager-Abdeckungen noch verbessern.


Pachtkonkurrenz und Trockenkot

Bei der Diskussion, in welchem Maße die Biogasmaisanbauer die regionalen Pachtpreise zu Lasten anderer Berufskollegen in die Höhe treiben, vertrat Horst Seide die Position, dass dieses Phänomen auf Regionen mit ohnehin schon engem Pachtmarkt begrenzt sei und dass man den Biogas-Produzenten nicht anlasten dürfe, wenn z.B. die Milchbauern wegen zu wenig Milchgeld bei der Pacht nicht mithalten könnten. Ohnehin liege der biogasbezogene Pacht-Mehrpreis durchschnittlich nur bei 30 bis 50 Euro pro Hektar, maximal könne ein Biogasbetreiber etwa 200 bis 300 Euro mehr als andere Pächter zahlen. Beträge von 800 Euro seien nur für kleine, von der Bank geforderte Zusatzflächen sinnvoll. Demgegenüber forderten andere Teilnehmer, durch einen Abbau von Biogas-Übersubventionierung oder Mitnahme-Effekten die Flächenkonkurrenz zu verringern.

Horst Seide verwies darauf, dass der Einsatz der Gülle in Biogasanlagen im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft die besonders klimaschädliche Emission von Methan, von Ammoniak sowie auch von Gerüchen mindere. Er plädierte dafür, die Prämien-Koppelung der Gülleverwendung an den parallelen Einsatz von Mais und anderen Nawaros zu beenden und für kleine, stallnahe, güllebetriebene Biogasanlagen (50 kW) eine besondere Vergütung zu schaffen. Sein Plädoyer für den Einsatz von agrarindustriellem Hühnertrockenkot, der über 300 km besser transportierbar sei als die wasserhaltige Gülle, stieß auf deutliche Kritik wegen der damit verbundenen Förderung umweltschädlicher und qualhalterischer Agrarfabriken und wegen seuchenrechtlicher Probleme. Schon jetzt gebe es enge veterinärrechtliche Auflagen beim Bezug von Gülle aus anderen Betrieben.


Ergänzung von Wind und Sonne

Horst Seide verwies abschließend darauf, dass eine bäuerliche Biogaserzeugung mit ihrer Klimabilanz, Grundlastabdeckung und saisonalen Steuerungsmöglichkeit im Rahmen der Energiewende eine wichtige Ergänzung der wetterabhängigen Solar- und Windkraftanlagen darstelle. Biogas werde in 30 Jahren vermutlich nicht mehr als Brückentechnologie gebraucht, bekäme bis dahin aber eine wichtige Bedeutung als neuer klimafreundlicher Kohlenstoffträger in einem ölunabhängigen Verkehrssektor. In der Diskussion wurde auf die Energiequelle „Energieeinsparung“ verwiesen und auf die dezentrale und ortsnahe Nutzung der Biogaswärme. Die Mitgliederversammlung drückte abschließend in einer Resolution ihre Solidarität mit den japanischen Erdbeben- und Atomkraftopfern aus und verlangte von der Bundesregierung die Abschaltung aller Atomreaktoren.

15.04.2011
Von: en