Würde

Kommentar

„Warum verstehen die uns nicht? Wissen die gar nicht, was los ist? Warum tun die nichts?“, und dann brach die Milchbäuerin aus Süddeutschland in Tränen aus. Anrufe, Gespräche wie diese in den letzten Wochen überall im Bundesgebiet. Sie gehen mir nahe. Mein Schwager melkt jetzt für 23 Cent den Liter, wie Zehntausende Kollegen auch, die an norddeutsche Molkereien liefern. Deren Chefs kündigen schon an, dass der Preis noch weiter fallen wird, weil zu viel Milch am Markt ist. Die AbL hat die Molkereien aufgefordert, ähnlich wie FrieslandCampina oder die österreichische Gmundener Molkerei kurzfristig und befristet einen Bonus für Mengenvernunft einzuführen. Keine neue Quote, sondern eine Notmaßnahme, um jetzt koordiniert und auch überbetrieblich von der Übermenge runter zu kommen. Die Beispiele zeigen, dass das geht, wenn man will. Aber „unsere“ Molkereispitzen wollen nicht. Sie rechnen sich in der Krise durch Niedrigpreisstrategie neue (Welt-)Marktanteile aus. Sie wollen als Gewinner aus der Krise hervorgehen, um den nächsten Wettlauf anzuheizen. Einige Molkereichefs sagen offen, dass sie selbst zwar zu mengenbegrenzenden Maßnahmen bereit wären, aber sie werden zurückgepfiffen von einflussreichen Vielmelkern in Vorstand und Aufsichtsrat. Es sind die gleichen Wachstumsbetriebe, die auch im Bauernverband die Position bestimmen. Ihre Devise heißt „Weiter so“, genau wie beim Bundesminister Christian Schmidt. Der verweist allen Ernstes darauf, dass im Jahr 2025 der Preis wieder besser sein werde. Die Botschaft heißt, dass der Markt das schon „bereinigt“. Sie kalkulieren brutal ein, dass Tausende Betriebe aufhören, um ja nicht denjenigen in die Quere zu kommen, die stark wachsen wollen und für die Ställe mit tausend Kühen Vorbilder sind. Es ist unerträglich. Die Spitzen der Molkereien, des Bauernverbands und des Ministeriums lassen zu, dass wertvolle bäuerliche Arbeit, die Erzeugung von gesunden Lebensmitteln, so entwürdigt wird. Alle tragen jetzt eine hohe Verantwortung. Als AbL lassen wir nicht locker. Natürlich machen wir weiter Druck auf die Molkereien, damit sie ihre Möglichkeiten endlich im Sinne auch der bäuerlichen Betriebe nutzen. Wir sind intensiv auf die politisch Verantwortlichen in den Bundesländern zugegangen, damit auch sie die Molkereien abfordern und gleichzeitig den Bundesminister auffordern, auf EU-Ebene gemeinsam mit Frankreich für kurzfristige mengenbegrenzende Krisenmaßnahmen einzutreten. Die Agrarministerkonferenz der Bundesländer hat diese Forderungen nun endlich klar und unmissverständlich im Beschluss zum Milchmarkt aufgegriffen. Das hat zu lange gedauert, aber es ist jetzt ein wichtiges Signal. Bauern sind in der Lage, die Milchmenge zu reduzieren. Die Molkereien und Bundesminister Schmidt sind jetzt gefordert. Das ist kein Selbstläufer, wir werden weiter dranbleiben! Die Bauernstimme berichtet regelmäßig auch über Berufskollegen, die eigene erfolgreiche Wege zur Existenzsicherung gehen. Nicht aus Besserwisserei oder als Patentrezept für alle, sondern um Mut zu machen, dass es anders besser gehen kann. Zusammen mit der Zivilgesellschaft für unsere Bauernhöfe zu kämpfen und dafür aufzustehen – das ist auch eine Frage der Würde.
25.04.2016
Von: Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL

Georg Janßen, AbL-Bundesgeschäftführer