Dort, wo Ideen wachsen

Junges Gemüse trifft Biobauer aus Oberschwaben

Es ist Dezember, die Tage zwischen den Jahren. Man sagt, was einem in dieser Zeit an Erlebnissen und Inspiration begegnet, strahlt auch ins neue Jahr. Bestimmt eine gute Zeit, um mich als „junges Gemüse“ mit Bauern und Bäuerinnen zu treffen und nach ihren Ideen, Meinungen und Problemen zu fragen. Ich, das „junge Gemüse“, bin 26 Jahre alt und studiere in Witzenhausen Ökologische Landwirtschaft. Der „alte Hase“ ist Norbert Huchler aus Gutenzell-Hürbel (Landkreis Biberach, Baden-Württemberg). Seit 1994 bewirtschaftet er mit seinem Großcousin Stefan Huchler den Wendelhof als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Nach dem Tod von Stefan Huchlers Vater beschlossen sie, beide Milchviehbetriebe zusammenzulegen. Im Laufe der Zeit haben sie sich manch neues Standbein geschaffen und andere wieder aufgegeben. Die Wendelhof GbR, das sind zwei Familien und drei Generationen. Neben der Milchviehherde (Braunvieh) betreiben sie noch eine Biogasanlage. Auch Beate, die Frau von Stefan, arbeitet seit diesem Sommer auf dem Hof mit. Zusammen mit Norberts Mutter bilden die beiden ein Melkerinnenteam. Damit jeder einmal frei hat, wechseln sie sich mit Norbert und Stefan ab. Norberts Vater holt im Sommer jeden Tag einen Wagen Kleegras und hilft mit, wenn er gebraucht wird. Dass die Zusammenarbeit mit Stefan so gut funktioniert, erklärt sich Norbert mit der Arbeitsteilung. Beide haben ihren eigenen Bereich auf dem Hof. Stefan kümmert sich um die Technik und die Arbeit auf dem Feld, Norbert verwaltet das Büro und betreut das Milchvieh. Oder wie Norbert Huchler es anders formuliert: „Ich bin eher der Theoretiker und Stefan der Praktiker.“ Nach dem Gespräch mit Norbert denke ich, eine GbR auszuprobieren, ist einen Versuch wert. Mich überzeugen die Vorteile: Die Arbeit kann man in einer Kooperation so aufteilen, dass jeder seine Talente und Vorlieben besser einbringen kann. Außerdem ist es möglich, ohne größeren Aufwand auch mal in Urlaub zu gehen. Das neueste Projekt wächst gerade an: Junge Obstbäume stehen auf einer kleinen Wiese neben dem Weg. Vor ein paar Tagen gepflanzt, ist die Erde um die jungen Hochstämme frisch aufgeschüttet. Die Bäume säumen den Weg zum alten Hofgebäude, dort wo die Familie von Norbert Huchler wohnt. Der biologische Landbau soll seiner Meinung nach wieder bunter werden und er trägt seinen Teil dazu bei. Den Hof bewirtschaften die Huchlers seit 2001 nach Bioland-Richtlinien. Der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralischen Dünger ist für den 48-Jährigen die erste Stufe des biologischen Landbaus. Die zweite aber ist die Vielfalt. Auch deshalb halten die Huchlers Freilandschweine. Haltung, Schlachtung und Verzehr: alles auf dem eigenen Hof. Der Schlachtraum stammt aus der Zeit, als sie Rinder und Schweine direkt vom Hof vermarktet haben. Norbert Huchler erinnert sich gerne daran zurück. Mit dem Auto ist er von Haus zu Haus gefahren und hat die Kunden besucht. Das Angebot war einfach: 1/16 oder 1/8 vom Rind oder Schwein. 2007 haben die Huchlers die Direktvermarktung aufgegeben. Verantwortlich dafür waren neue Hygienerichtlinien, der hohe Zeitaufwand und die immer weiter sinkenden Abnahmemengen pro Haushalt. Je kleiner die Portionen, desto mehr Haushalte mussten angefahren werden. Direktvermarktung in einer anderen Form kann sich Norbert Huchler aber durchaus vorstellen. Ansporn für eine Wiederbelebung ist die aktuell schlechte Vermarktungslage der weiblichen Biokälber. Für die männlichen Braunviehkälber hat er zum Glück einen konventionellen Mäster in der Region gefunden. Die Vermarktung von Biokälbern ist ein Thema, das uns beide intensiv beschäftigt. Um die Kälber nicht an einen konventionellen Mäster geben zu müssen, fände ich es gut, die Tiere gemeinschaftlich zu mästen. Wenn möglich, im Rahmen eines Weideprojektes und mit einer regionalen Vermarktung des Fleischs. Norbert schlägt vor, ein Event daraus zu machen: z. B. ein Hoffest mit gemeinsamem Grillen. Es ist kurz vor elf Uhr. Im Stall warten die Kühe am Tor zur Weide. Es ist Zeit für sie, die Wintersonne auszunutzen. Norbert Huchler macht das Tor auf der Rückseite des Stalls auf, an das sich 10 ha Weide anschließen. Die Kühe laufen zügig nach draußen. Es ist zwar Winter, doch Huchler lässt die 70 Milchkühe trotzdem jeden Tag raus und die sind schon bald aus dem Blickfeld verschwunden. Seit ein paar Jahren praktizieren die Huchlers saisonale Abkalbung und Kurzrasenweide. Im Sommer können die Tiere ganztägig auf die Weide, trotzdem werden sie zugefüttert. Der Grund: die Biogasanlage benötigt die Gülle. Die Anlage wurde 1997 fertiggestellt und 2001 erweitert. „ Die Technik war damals noch nicht ausgereift“, begründet der Landwirtschaftsmeister diesen Schritt. Neben der Gülle und Grassilage gibt er auch Mais in den Fermenter. Zurzeit kauft die GbR noch konventionellen Mais zu. Ab diesem Jahr soll das anders werden. Nach langjähriger Pause wollen die beiden Huchlers wieder selber Mais anbauen. Auch eine Wildkräutermischung haben sie schon ausprobiert. Doch Norbert Huchler ist mit dem Ertrag nicht zufrieden: „Die Ausbeute ist gering und im dritten Jahr wächst schon nichts mehr“. Dennoch wollen sie weiterhin interessante Pflanzen beobachten, um den Mais mittelfristig wieder ersetzen zu können. Die Huchlers sind beweglich. Wenn ein Standbein unwirtschaftlich wird, geben sie es auf und überlegen sich gleichzeitig wieder etwas Neues. Seit die beiden 1997 den Außenklimastall gebaut haben, wurde die Herde nicht mehr aufgestockt. 70 Kühe, dazu Nachzucht und Zuchtbullen für den Eigenbedarf. Während auf anderen Höfen der Wunsch nach mehr Kühen, mehr Leistung, mehr Fläche laut wird, versucht Norbert Huchler weniger zu arbeiten. Seit Weihnachten werden die Kühe nur noch morgens gemolken. Das kostet zwar ein paar Euro, bringt aber sehr viel Lebensqualität. Und was macht Huchler dann mit der gewonnenen Freizeit? Er nutzt sie für neue Projekte. Für das Jahr 2016 hat Norbert Huchler Agroforst im Visier. Vielfalt ist für ihn nicht nur mehrere Tierarten, sondern auch Mehrfachnutzung auf der Fläche. Er plant verschiedene Edellaubhölzer wie Walnuss, Kirsche oder Kastanie in Reihen zu pflanzen und möchte dazwischen Ackerfrüchte anbauen. Den Umbruch übernehmen die Schweine. Was nehme ich als „junges Gemüse“ vom Wedelhof mit? Wenn mein Betrieb auf soliden Standbeinen steht, kann ich ruhig was Neues ausprobieren: beispielsweise Direktvermarktung oder alternative Bewirtschaftungsformen wie Agroforst. Aber wenn es, aus welchen Gründen auch immer, nicht klappt, muss ich das Standbein nicht um jeden Preis behalten. Eine neue Idee kann schließlich jederzeit wieder nachwachsen. Betriebsspiegel:
54 ha Wiesen 41 ha Acker, davon 16 ha Kleegras, außerdem Bohnen, Weizen, Gerste, Hafer, Triticale; alles in Kooperation mit einem Schweinebetrieb
75 Kühe mit 50 Stück Nachzucht, inklusive 3 Bullen aus eigener Zucht Freilandschweine, Hühner und Gänse für Eigenbedarf.
Außenklimastall mit 10 ha Kurzrasenweide. 40 Jahre Unabhängige Bauernstimme – Was sagt …der alte Hase? Die Bauernstimme abonniere ich schon seit ungefähr 25 Jahren. Mir gefallen besonders die interessanten Artikel. Andere Zeitschriften vermitteln ja eher, wie man schnell wachsen kann. Die Bauernstimme hingegen denkt im Sinne der Bauern. … das junge Gemüse? Am liebsten lese ich in der Bauernstimme die Erlebnisse von Bäuerinnen und Bauern aus der Rubrik „Stall, Feld und Umfeld“. Und das macht die Bauernstimme für mich auch aus: Lesen, was andere Bauern und Bäuerinnen bewegt und erfahren, was andere Bauern und Bäuerinnen bewegen.
04.02.2016
Von: Bernadette Albrecht, junge AbL