Die Initiative ergreifen

Kommentar

Alle reden davon, dass die Milchmenge reduziert werden soll – und keiner tut es. Doch was steckt hinter dieser nicht nur für die Bauern so fatalen Situation? Wir alle kennen die Milchbauernabende, wo uns vom Berater vorgerechnet wird, dass wir mit einem kg mehr Kraftfutter  zwei Liter mehr Milch erzeugen können. Eine schlechte Milchberaterrechnung,  nicht einmal einzelwirtschaftlich zielführend. Sie lässt den abnehmenden Ertragszuwachs ganz außer acht und verschweigt, dass der letzte Liter Milch, der auf Kraftfutterbasis erzeugt wird auch der teuerste ist. Es sind diese Beratungen zusammen mit den Medien in DBV-Hand und der Ausbildung, die uns Bauern seit Jahrzehnten eingetrichtert haben, dass wir immer mehr erzeugen sollen, immer mehr aus unseren Kühen rausholen müssen, nur dann eine guter Bauer sind, wenn wir unseren Stalldurchschnitt jedes Jahr steigern, und einige von uns sogar dahin getrieben wurden, ein Bullenkalb einer Hochleistungsrasse nur noch als lästiges Übel zu sehen. Sie wollten uns dahin bringen, dass die Plaketten auf der Stalltür und das Ziel, immer besser sein zu wollen als der Nachbar wichtiger sind als unser gesunder Menschenverstand, als unser ureigenes Verantwortungsgefühl für das Wohl unserer Tiere. Und die Politik? Sie weiß genau, was passiert, wenn zu viel Milch auf dem Markt ist. Alle wissen es und keiner tut was. Alle sind sie mitverantwortlich vom Minister Schmidt über unsere Frau Bundeskanzlerin bis zu unserem Agrarkomissar. Genauso wie die Molkereien, die bis auf wenige bemerkenswerte Ausnahmen für einen billigen Rohstoff und unverantwortliche Gewinnmaximierung Bauernhöfe über den Jordan gehen lassen. Genauso wenig kann sich ein Verbraucher in Zeiten uneingeschränkten Informationszuganges aus der Verantwortung stehlen.
Und der Bauernverband: Man höre und staune: bei einer Aktion des BBV vor einer fränkischen Aldi-Filiale  forderte ein Bauer 40ct. für den Liter Milch, damit sein Betrieb überleben könne. Aber sein Verband wird nicht müde, mehr Milch und die Erschließung neuer Exportmärkte zu fordern, wohl wissend, dass der Weltmarktpreis in Europa niemals kostendeckend sein kann.
Es wird uns also nichts anderes übrig bleiben, als das Blatt selbst in die Hand zu nehmen und selbst wieder nachzudenken, was uns und unseren Betrieben gut tut. Was für die Milch gilt, gilt auch für Rindfleisch, Schweine- oder Hähnchenmast. Wir Bauern dürfen uns nicht länger an der Nase herumführen lassen. Die Reduzierung von Kraftfutter kann schon kurzfristig die Situation auf den Höfen vollständig verändern. Die Rindergesundheit wird sich verbessern, Tierarztkosten sinken, die Milchmenge geht zurück, der Milchpreis kann sich erholen. Und wenn wir dann auch noch die Möglichkeit des Weidegangs überdenken, die Überbelegung der Ställe ins Visier nehmen, etc., dann können uns Aldi, DMK, Schmidt, Ruckwied und Co. den Buckel runter rutschen. Es geht um viele Höfe - sie müssen erhalten bleiben und dazu braucht es neue (alte) Wege.
Jeannette Lange (Milchbäuerin in Hessen) erzählte in der letzten Mitgliederversammlung in Altenkirchen von einem Gespräch, in dem sie zu einer anderen Milchbäuerin sagte: „Wir haben die Kuhzahl reduziert, das Kraftfutter weggelassen,  die Milchleisung heruntergefahren und plötzlich haben wir richtig Geld verdient mit unseren Kühen und es hat wieder Freude gemacht, in den Stall zu gehen!“ Darauf die andere Milchbäuerin: „Ja das geht doch nicht. Ja wenn das alle so machen würden....“
31.08.2015
Von: Gertraud Gafus, Bundesvorsitzende der Abl