Freihandel mit Regionalsiegeln?

Erstmals europäischer Standard in den TTIP-Verhandlungen öffentlich in Frage gestellt

Die Aufregung war groß. Anfang Januar äußerte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt gegenüber dem Spiegel: „Wenn wir die Chancen eines freien Handels mit dem riesigen amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen.“ Zum ersten Mal hatte ein deutscher Regierungspolitiker eingeräumt, dass es in dem derzeitig verhandelten Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) doch dem einen oder anderen EU-Standard an den Kragen gehen könnte – z.B. der Ausweisung von Spezialitäten aus einer bestimmten geografischen Region. Zuvor war allen Befürchtungen von Kritikern stets entgegnet worden, es werde keine Absenkung europäischer Standards geben. Wie unter so einer Voraussetzung die Verhandlungen und dazu nötige Kompromisse für ein gemeinsames Abkommen zwischen den Staaten ablaufen sollen, blieb offen. „Damit hat er einen Testballon gestartet“, bewertet Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft die Äußerungen von Schmidt, „um zu prüfen, wie weit die Bundesregierung mit Zugeständnissen gehen kann“. Nach heftigen Protesten von Verbraucherschützern und aus der Lebensmittelbranche beschwichtigte Schmidt, ihm sei es lediglich um die Präzisierung der bestehenden Produktkennzeichnung gegangen.                                                        Schutzrechte verschieden In den TTIP-Verhandlungen wird die Diskussion um „geografische Herkunftsangaben (engl. GIs)“ unterdessen im Kapitel zu geistigen Eigentumsrechten geführt und hat sich als ernst zu nehmendes Hindernis herausgestellt. Denn solche Produktbezeichnungen sind in den USA nicht geschützt. Sie entsprechen dort und in Kanada eher Markenzeichen für Produkte mit einem bestimmten Herstellungsprozess. Die Sorge, dass allgemein bekannte Namen nicht mehr verwendet werden dürfen und die Verwirrung durch fehlende Informationen ist nach Einschätzung von Karen Hansen-Kuhn vom Institut für Landwirtschaft und Handelspolitik in den USA groß. Auch die EU-Kommission bezeichnet das Thema als strittig, will aber „entscheidende Verbesserungen im US-System, wie den Schutz für eine gemeinsame Liste von EU-Herkunftsangaben und Durchsetzung von Regeln gegen deren Missbrauch“ durchsetzen. Vorlage mit Hintertür In die veröffentlichten Verhandlungspapiere für das als wegweisend geltende Abkommen CETA zwischen EU und Kanada haben es die GIs geschafft. Ein Vorschlag für eine gemeinsame Liste von Produktbezeichnungen ist dort enthalten. Allerdings eröffnen diverse Ausnahmen die Möglichkeit, die Namen entweder trotzdem oder in englischer bzw. französischer Sprache zu nutzen (z.B. Black Forest Ham). Fraglich ist auch, wie mit nicht gelisteten Erzeugnissen verfahren werden soll. Um die Liste zu erweitern, wären extra Verhandlungen notwendig. Nur international aufgestellte Verarbeitungsunternehmen könnten damit den nord­amerikanischen Markt für „regionale“ Produkte aus Deutschland und der EU nutzen. Damit sich der Export lohnt, müssen große Mengen hergestellt werden können. Die Unternehmen müssten somit auf überregional verfügbare, möglichst günstige landwirtschaftliche Rohstoffe zurückgreifen können. Das aber widerspricht dem Geist der geografischen Herkunftsangaben. Für Bäuerinnen, Bauern und Handwerksbetriebe, die sich mit regionalen Produkten einen höherpreisigen Markt erschließen wollen, spielt ein Export nach Übersee keine Rolle. Anstatt die Kriterien für geografische Herkunftsangaben an globalisierten Handelsströmen auszurichten, wie dies mit CETA und TTIP geschieht, sollten diese konkretisiert werden, damit ein tatsächlicher Nutzen für die Herkunftsregion entsteht.
10.02.2015
Von: christine weißenberg, unabhängige Bauernstimme