Der Tanz ums goldene Kalb, Schwein, Huhn

Tierwohl – freiwillig verbindlich, gelabelt oder nicht, unwissenschaftlich, emotional

DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer eröffnete die Leitmesse für Tierhaltungstechnik in Hannover mit den Worten: „Wir müssen darauf achten, dass unter den tausenden von Flutlichtern einer EuroTier 2014 eine Branche nicht in einer Parallelwelt erstrahlt, eine Branche, die strukturell gesellschaftliche Veränderungen in ihrem Umfeld nicht ausreichend wahrnimmt.“ Es gebe ein Informationsdefizit beim Verbraucher hinsichtlich moderner Tierhaltung, unwissenschaftlich anthroprozentrisch geprägte emotionale Wünsche, gar „krude Vorstellungen“, die aber offensichtlich in der Gesellschaft, wenigstens in Deutschland, immer mehr verfingen, so Bartmer. Aber er sagte auch: „Es gibt Ausprägungen in unseren Verfahren, auch das eine oder andere Zuchtziel, das unser intensives fachlich fundiertes kritisches Nachdenken verdient.“ Kritisch nachgedacht hat offensichtlich auch das Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland (AEF), ein Branchenzusammenschluss aus etwa 80 Unternehmen der Agar- und Ernährungswirtschaft in einer der intensivsten Veredelungsregio­ nen Europas. Der Vorsitzende und ehemalige niedersächsische Landwirtschaftsminister Uwe Bartels stellte mit seinem grünen Nachfolger Christian Meyer sowie Thomas Schröder ein neues Positionspapier des AEF vor. Darin steht ein klares Bekenntnis zum strengen niedersächsischen Tierschutzplan und die Aufforderung, so etwas auch bundesweit aufzulegen. Haltungsbedingungen sollen „messbar verbessert und ökonomisch verträglich mit den gesellschaftlichen Erwartungen in Einklang gebracht werden.“ Freiwillig verbindlich Tierwohl in aller Munde, zumindest in Deutschland. Auf der EuroTier, jenem stark internationalen Ereignis, war der Tenor: im Ausland interessiert das nicht. Trotzdem bieten beispielsweise inzwischen fast alle Stalleinrichter Systemlösungen für freie Abferkelungen an. Politisch passend zur EuroTier zündete Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt seine Initiative für mehr Tierwohl, die mit viel Ankündigungsrethorik arbeitet und dafür auch von unterschiedlichen Seiten kritisiert wird. Mit seinem Konzept der „freiwilligen Verbindlichkeit“ werde der Minister der kritischen Diskussion in der Gesellschaft zur Tierhaltung nicht gerecht, so der ehemalige Agrarstaatssekretär und jetzige Vorsitzende der Agrarsozialen Gesellschaft, Martin Wille. Die Brancheninitiative Tierwohl, in der Bauernverband (DBV) und Handel nach einem ursprünglich mal von der Tierschutzorganisation ProVieh entwickelten Kriterienkatalog Aufschlagszahlungen ausgehandelt haben, soll bald in die konkrete Phase der Auditierung von Betrieben gehen. Auf der EuroTier konnte sich der interessierte Tierhalter am Stand des Bauernverbandes beraten lassen, der schien sich aber eher für die günstigen Rabattangebote für Verbandsmitglieder bei verschiedenen Autoherstellern zu begeistern. Schon auf dem Veredelungstag des DBV in Cloppenburg wurde auch deutlich, dass es bei der Brancheninitiative Tierwohl nicht um Schutz vor sinkenden Preisen gehe und die gezahlten Zuschläge keinen Extragewinn für die Landwirte generieren, sondern lediglich die Kosten durch zusätzliche Tierschutzmaßnahmen ausgleichen sollen. Label oder nicht Hinzu kommen mal wieder widersprüchliche Signale vom Handel. Der stellvertretende Geschäftsführer des Bereichs Qualitätswesen bei Aldi Süd, Ralf-Thomas Reichrath, bewertete die Erfolgsaussichten der Brancheninitiative zum Tierwohl posititiv im Gegensatz zu früheren Einzelprogrammen, die nicht über ein Nischendasein hinausgekommen seien. Es sei nun erstmals eine Allianz aller Beteiligten geschmiedet worden, die über eine große Durchsetzungskraft und Breitenwirkung am Markt verfüge. Wichtig sei dabei, dass „der Tierschutz nicht als Wettbewerbsmerkmal betrachtet“ werde. Das heißt offenbar, dass Aldi daran festhalten will, nicht mit einem Label oder ähnlichem auf den Produkten zu werben. Im Interview mit dem Verbandsorgan des Bauernverbandes, der dbk, verlieh „die Geschäftsleitung Einkauf Fleisch und Wurst der Lidl Stiftung“ ihrem Wunsch Ausdruck, dass die Inhalte der Initiative Tierwohl an die Endverbraucher kommuniziert werden. „Lidl Deutschland setzt sich dabei für einen Hinweis auf der Verpackung ein.“ Dadurch könne der Verbraucher bei jedem Einkauf sofort erkennen, ob er durch den Kauf des Produktes die teilnehmenden Landwirte unterstütze. Eigentlich war es genau immer die Produktkennzeichnung, die die Initiative nicht wollte, auch um viele Betriebe, die nichts ändern unter wenigen, die in der allgemeinen Werbekampagne beleuchtet werden, verschwinden zu lassen. Der Verbraucher sollte eigentlich nicht erkennen können, aus welcher Haltung sein Schnitzel stammt, nur ein diffuses Gefühl entwickeln von „die tun was". Wenn Lidl nun wirklich etwas anderes will, ist das erst einmal positiv, denn mit einer eindeutigen Kennzeichnung kann der Verbraucher entscheiden, der am Ende vielleicht doch informierter und weniger emotionalisiert ist, als der DLG-Präsident es ihm unterstellt.
17.12.2014
Von: claudia schievelbein, unabhängige Bauernstimme