KTG Agrar bringt es vom Feld auf den Teller

Börsenspekulation mit Lebensmitteln und dem Verbraucher ein Gefühl von Geborgenheit

Die LANDWIRTE stehen für gesunde Lebensmittel. „Lebensmittel von bester Qualität, selbst angebaut, selbst verarbeitet...“ Hier will man Wertschöpfung in der Landwirtschaft durch Weiterverarbeitung und Vertrieb erhalten. „Als Landwirte bauen wir selbst an und stehen ganz persönlich für die Qualität unserer Arbeit ein.“ Das klingt nach regionalen Produkten für einen Kunden, der die Nähe zum Produzenten sucht, der wissen möchte woher seine Lebensmittel stammen. Die Bilder von Müsli, Kartoffeln und Zwiebeln gibt es auf der Homepage auch gleich dazu. Das Bild der Webcam dagegen ernüchtert: „Unser Feld in Herzsprung“ ist eine riesige grüne Wüste von was auch immer, am Horizont ein Waldrand, darüber grauer Himmel. „DLW Die LANDWIRTE GmbH ist ein Unternehmen der KTG Gruppe“ diesen Hinweis findet nur, wer das Impressum studiert. Ackern für‘s Leben Die KTG Agrar SE ist eine europäische Gesellschaft. Sie ging aus der von Siegfried Hofreiter im Jahr 2000 gegründeten und 2005 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten KTG Agrar GmbH hervor. „Vom Feld auf den Teller – In drei Jahren von der Vision zur Realität“ liest man im aktuellen Geschäftsbericht. Und bei genauerem Studium der Unterlagen wird schnell klar, dass Siegfried Hofreiter ganz große Pläne hat. 50.000 Hektar beackert er aktuell. In den kommenden Monaten steht die Ernte in Ostdeutschland, Litauen (jeweils Pacht- und Eigentumsflächen) und Rumänien (Farmmanagement) an. Dieses Jahr, so kann man auf der Unternehmenshomepage lesen, verspricht eine überdurchschnittliche Ernte. Ein wenig erinnert die Beschreibung an ein Landwirtschaftsmonopoly. Über den Boden und die Vielfalt, kulturelle Werte und Ernährungssicherung ist nichts zu finden. Es geht vielmehr um die Ertragserwartungen, um die Strategie, wie aus der Ernte möglichst viel Kapital gemacht werden kann, indem 50 Prozent in Vorkontrakten schon zu Beginn der Ernte verkauft sind und die zweite Hälfte erst im Winter, wenn die Preise erneut anziehen, verkauft werden. Das alleine wäre aber, vernachlässigt man die Größe des Unternehmens, noch nichts Besonderes, denn viele Landwirte machen es nahezu genauso. Hofreiter aber will mehr. Mehr Fläche und mehr Gewinn. Als Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft muss er das auch. Alles in einer Hand Die KTG bleibt also nicht auf dem Acker. In der eigenen Ölmühle in Anklam werden Raps und Soja weiterverarbeitet. Unter den Namen Frentzel Tiefkühlkost, Die LANDWIRTE, Biozentrale und Biofarmers werden eigene und zugekaufte Waren an den Markt gebracht. Die Rechnung dahinter ist einfach. Siegfried Hofreiter kalkuliert das Kilo Weizen mit 20 Cent. Ein Kilo des im Müsli benötigten Getreides hat schon einen Wert von 4,60 €. Die Wertschöpfung liegt beim Faktor 23 oder aber gigantischen 2.300 Prozent. Auch das keine Neuigkeit an sich. Das Unternehmen KTG mit seinen Marken und vor allem seinen scheinbar unbegrenzten finanziellen Mitteln ist aber in der Lage, die ganze Wertschöpfungskette abzudecken und eigenständig auszulasten. Dass hat das Unternehmen mit der Übernahme der Ölmühle Anklam demonstriert. Regionalität hat hier wenn überhaupt, dann auf nationalstaatlicher Ebene eine Bedeutung. Dem Verbraucher, mit dem man neben den Finanzinvestoren aber auch zu tun hat, möchte man ein anderes Bild zeichnen. Im Interview mit dem Börsenradio schildert Dr. Thomas Berger, bis September 2013 Vorstandmitglied der KTG Agrar SE, die Strategie folgendermaßen: „Kunden schenken bei den Produzenten dem Landwirt am meisten Vertrauen.“ Was liegt da näher als Die LANDWIRTE als neue Marke zu etablieren. Neue Anlageklasse Die Deutsche Bank ist schon lange im Bereich Agrarrohstoffe an den Börsen der Welt aktiv. Auch ethische und moralische Argumente bezüglich der Verschärfung der Hungersituation in armen Bevölkerungsschichten aufgrund der Nahrungsmittelspekulation verfangen nicht. Es scheint ein lukratives Geschäft zu sein. Das bestätigt letztendlich auch der bisherige Erfolg der KTG Agrar SE. Offenbar schenken viele Anleger den Erklärungen der KTG Oberen glauben: Die weltweit der Landwirtschaft zur Verfügung stehenden Flächen sind begrenzt; wir haben ein fortschreitendes Bevölkerungswachstum und eine Multiplikation der Nachfrage. Die Konsequenz: Landwirtschaft als Anlagemodell. Produktivitätssteigerung Natürlich sind Investoren immer an den Zukunftsplänen und Entwicklungen ihres Unternehmens interessiert. Bisher hat die KTG-Gruppe vor allem investiert und verschiedenste Unternehmen, Flächen und Maschinen gekauft. In diesem Jahr soll eine Konsolidierung erfolgen, so der Vorstandsvorsitzende Hofreiter. Die Liquidität liegt laut Hofreiter vor der Ernte im zweistelligen Millionenbetrag. Nach der Ernte bei 30 bis 40 Millionen. Nach Eingang der Zahlungen aus Brüssel dürfte nochmal ein zweistelliger Millionenbetrag hinzukommen. Wie groß der Anteil der Agrarzahlungen am Gesamtgewinn des Unternehmens ist oder ob er gar der einzige Gewinn ist, lässt sich nur spekulieren. Nimm es vom Boden Die Effizienzsteigerungen innerhalb der Landwirtschaft bleiben bescheiden. Den Vorteil aus Forschung und Entwicklung von Saatgut und Maschinen benennt Berger mit 0,6 bis 0,8 Prozent. Die große Hoffnung liegt auf einem effizienten Management und hoher Schlagkraft, die es erlauben würden die Äcker mit einer Zweitfrucht zu nutzen. Die erste Ernte für den Lebensmittelmarkt und die zweite für die Biogasanlage. Wie lange der Boden dieses Powerplay ertragen kann wird nicht gefragt. Mit der KTG Energie AG ist Hofreiter auch im Biogasgeschäft eine feste Größe. Im vergangenen Jahr hatte die KTG Energie AG Biogasanlagen mit einer Leistung von 43 MW. Die Energie, wie auch die anderen Sparten der KTG-Gruppe profitieren von der engen Vernetzung. Hinter allem stehen die Investoren mit ihren Aktien. Noch ist nicht abschließend geklärt, ob das Geschäftsmodell langfristig und ohne Agrarzuschüsse aus Brüssel seine Investoren zufriedenstellen kann. In keinem Fall ist das Modell geeignet Ernährungssouveränität zu sichern, da es Landbesitz und Lebensmittelproduktion in den Händen weniger konzentriert und mit steigenden Preisen spekuliert.
06.07.2014
Von: Marcus Nürnberger, unabhängige Bauernstimme